Der deutsche Pavillon
Dieses eine Mal soll nicht der folgende Text, sondern das Bauwerk ein Gedicht sein: Mit den Worten „Architektur beginnt, wenn zwei Backstein sorgfältig zusammengesetzt werden. […]“ begann der deutsche Architekt Ludwig Mies van der Rohe einen Satz, der als wahrhaftiges Gedicht in diesem Bauwerk endet. Die gefassten Worte sollten den Architekten zu einer Ikone des 20. Jahrhunderts werden lassen. Eines seiner eindrucksvollsten Bauwerke ist der deutsche Pavillon in Barcelona. Dieses Bauwerk spiegelt auf eindrucksvolle Weise van Rohes Blick in Zukunft. Bereits im Jahr 1929 erbaut, kann es anstandslos mit modernen Bauten Schritt halten.
Die Weltausstellung 1929 sollte Sinnbild für Macht der Weimarer Republik werden. Allerdings stand der Pavillon, ebenso wie die noch junge Republik Weimar, auf wackligen Beinen. Kurz nach dem Ende der Weltausstellung wurde der deutsche Pavillon dem Erdboden gleichgemacht. Die Baumaterialien wurden verkauft, das erhaltene Geld in verlustbringende Staatskassen gesteckt. Die Architekten Cristian Cirici, F. Ramos sowie Ignasi de Solà-Morales erbauten in den Jahren 1983 bis 1986 im Auftrag der Stadt Barcelona das Zuhause des bekannten Barcelona-Sessels neu. Bis zum heutige Tag wird darüber diskutiert, ob der berühmte Barcelona-Sessel aus eine Stahlgestell mit Ziegenleder-Bezug handelt oder ob es sich um einen einfach Stuhl handelte. Die Debatte bekommt erst Brisanz, wenn man bedenkt, dass der Sessel ein zentrales Element – und somit Werbewirksamkeit zeigt – des baulichen Meisterwerks war. Ludwig Mies van der Rohe setzte auf ein offene Konzept, welches sich in jedem Winkel des Pavillons deutlich wieder spiegelt. Dem Besucher ist zu keiner Zeit bewusst, ob er sich außer- oder innerhalb des Gebäudes aufhält. Eine optische Täuschung, die sich in den nicht vorhandenen Stützfunktionen von Decken, Wänden sowie Glasscheiben begründet. Im Innern lässt sich lediglich eine drei Meter hohe sowie sechs Meter breite Wand finden, die jeden Raum in wuchtiger Gesamtheit beherrscht.
Hinter dem umstrittenen Barcelona-Sessel ist eine bronzene Figur zu sehen, die augenscheinlich aus dem angelegten Wasserbecken steigt. Aufgrund der geschwungenen Formen ist die Bronze-Figur von George Kolbe ein Blickfang, wenn sie im Kontrast mit der asymetrischen Linienführung des Pavillons verglichen wird. Der bauliche Repräsentant der Weimarer Republik war nicht nur richtungs-, sondern ebenso vom ersten Grundstein an für kommende Generationen zukunftsweisend.
Die damals neuartige Verarbeitung von Stahl, Glas und Marmorstein war neben der geometrischen Formgebung ausschlaggebend für die bis heute andauernde, zwischenzeitlich vergessene Popularität. Die zur Schau gestellte Präzision deutsche Maschinen sollte das Aushängeschild für die Industrie des neue Reiches sein. Dem damals beschlossenen Gebäudeabriss folgte schnell ein enormer Widerstand aus bürgerlichen Schichten der spanischen Bevölkerung. Zu Recht, wie wir heute mit eigenen Augen erfahren dürfen.